Wenn im Kopf ein Schalter umgelegt wird - Neurobiologische Grundlagen der Sucht

Karl-von-Frisch-Vortrag von Prof. Schmidt am 20.11.2002

Artikel im Reutlinger Generalanzeiger vom 22.11.2002

Die Grundlagen von Sucht und Abhängigkeit: Aktionstag im Karl-von-Frisch-Gymnasium

Dußlingen/Gomaringen/Nehren. (ulp) Heuer bereits zum achten Mal feiert das Karl-von-Frisch-Gymnasium auf dem Dußlinger Höhnisch den Geburtstag seines Namenspatrons mit einem Aktionstag. Dabei befasste sich der Tübinger Neuropharmakologe Werner Schmidt mit den neurobiologischen Grundlagen der Sucht.

Karl-von-Frisch-Vortrag

Das Publikum, das Direktor Heinz Weigold begrüßte, rekrutierte sich neben Bürgermeister Thomas Hölsch hauptsächlich aus Eltern, Lehrern und Wissenschaftlern der Uni Tübingen. Was vernünftig scheint, war der Abend doch für Jugendliche kaum geeignet. Um Schmidts (Bild rechts) Vortrag wirklich folgen zu können, war zumindest ein gewisses Grundwissen an medizinischem und biochemischen Vokabular Voraussetzung - die anwesenden Gäste zeigten sich aber nicht überfordert, sondern bewiesen im Diskussionsteil vielmehr ein gerüttelt Maß an Sachverstand. Der Konsum von Drogen ist unserer Spezies also nicht fremd. Zumal es auch Drogen gibt, die der Körper selbst produziert, etwa in lebensbedrohlichen Stress-Situationen, und die genau so süchtig machen können wie eingenommene Drogen. Trotzdem ist der Süchtige in unserer Gesellschaft stigmatisiert, entweder als charakterlich schwacher Schuldiger oder als bemitleidenswertes Opfer.

Dabei lässt psychische und körperliche Abhängigkeit von Suchtmitteln sich nach heutigem Stand der Wissenschaft mit den Mitteln der Neurobiologie relativ schlüssig erklären. Sucht wird von Körper und Psyche erlernt. Ab einem »Point of no Return«, also dem Punkt, von wo es nicht mehr zurück geht, wird im Kopf quasi ein Schalter umgelegt. Ein unwiderstehliches Verlangen löst dann den vorher noch kontrollierbaren Konsum von etwa wenigen Gläsern Wein ab.

Etliche im Körper ablaufende chemische Prozesse spielen hierbei eine Rolle. Selbst nach einem körperlichen Entzug bleibt der Mensch süchtig und muss starken Reizen widerstehen, um nicht rückfällig zu werden. Für Schmidt ist Sucht letztlich eine Krankheit, in der das Individuum nicht mehr selbst für sein Handeln verantwortlich gemacht werden kann. Allerdings könne es auch ein selbstgewählter Lebensstil sein.