Am Freitag, den 18. März, hielt Prof. Dr. Klaus Gestwa, Leiter des Instituts für osteuropäische Geschichte der Universität Tübingen, einen Vortrag zum Thema Putin und die Ukraine für die Klassenstufe 10 und die Jahrgangsstufe 1. Das Zustandekommen dieses Vortrags geht auf die Initiative einer ehemaligen KvFG-Schülerin, Lorena Popović (Abitur 2012), zurück, die mittlerweile bei Prof. Gestwa promoviert.
Der Vortrag zielte einerseits darauf ab, unser Wissen über die Ukraine und Russland zu schärfen und damit zu einer differenzierten Meinungsbildung über Putins Angriffskrieg beizutragen. Andererseits konnte Prof. Gestwa, der seit 30 Jahren Osteuropa und Russland bereist, kenntnisreich und pointiert die Narrative von der sogenannten „Entnazifizierung“ der Ukraine, des „Verteidigungskriegs“ gegen die expandierende NATO und die behauptete nationale Einheit von Ukraine und Russland, die vom Westen zerstört worden sei, als Propaganda entkräften.
Prof. Gestwa hatte seine Ausführungen didaktisch auf die unterschiedlichen Jahrgänge zugeschnitten. Während ein Teil seines Vortrags für die Jg. 1 auf den Aufsatz Putins vom Juli 2021 einging (in dem dieser die historische Einheit Russlands und der Ukraine hervorhob) und die misslungene geschichtstheoretische Begründung durch Putin für den Angriff thematisierte, lag der Schwerpunkt für die Klasse 10 eher auf den konkreten Erfahrungen, die die Menschen in der Ukraine verbindet. Generell ist Putins Denken, wie Prof. Gestwa darlegte, dem eigentlich seit 1989/90 ad acta gelegten Kalten Krieg verpflichtet, da er bereits 2020 eine „neue Konferenz von Jalta“ forderte (auf der im Februar 1945 die Einflusssphären der Siegermächte nach dem 2. Weltkrieg festgezurrt wurden). Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Krieg gegen die Ukraine durch Putin nur als Angriffs- und Eroberungskrieg, mit dem Putin Fakten schaffen will und die Verträge, die die Souveränität der Ukraine zwischen 1991 und 2011 garantierten, untergräbt. Eine langfristige friedliche Lösung für Osteuropa und letztlich auch die Welt sieht Prof. Gestwa nur ohne Putin. Allerdings müsse langfristig, wenn eine „Entputinisierung“ stattgefunden habe, nicht nur die Ukraine wieder aufgebaut werden, sondern auch Russland, das die Sanktionen des Westens stark zu spüren bekommt – denn wirtschaftliche Krisen bilden den Nährboden für neue Diktaturen.
Prof. Gestwa schloss mit einem Appell an die zentralen menschlichen Werte von Solidarität und Mitgefühl, die an die Stelle von Diskriminierung und Vorurteil treten müssten, die den Ukrainekrieg mit ermöglicht hätten. Für die konkrete Krisensituation schloss Prof. Gestwa mit den Worten: „Tun Sie das, was Sie in Ihrem unmittelbaren Umfeld tun können!“
— Matthias Friederichs 2022/03/23 22:23