Klimawandel und Städte: Ursachen, Auswirkungen, Anpassungsstrategien
Karl-von-Frisch-Vortrag von Dr. Rosner am 20.11.2024
Für den 29. Karl-von-Frisch-Tag konnte Dr. Hans-Joachim Rosner vom Geographischen Institut der Universität Tübingen gewonnen werden, der am KvFG über das Thema „Klimawandel und Städte: Ursachen, Auswirkungen, Anpassungsstrategien“ referierte.
Zunächst verwies Herr Rosner auf den natürlichen Treibhauseffekt: Die Spurengase Helium, Methan, Neon, Lachgas und Ozon sorgen dafür, dass die globale Durchschnittstemperatur auf der Erde bei +15 °C liegt. CO2 kommt in der bodennahen Luft mit einem Anteil von 0,03 % vor, die Spurengase mit einem Anteil von 0,01 %. Dennoch sind CO2, Methan, Lachgas und Ozon verantwortlich für den Klimawandel. Dies liegt insbesondere an ihrem Treibhauspotenzial (THP): 1 Molekül Methan (CH4) hat dich gleiche Wirkung wie 28 Moleküle CO2. Lachgas (N2O) hat bereits ein Treibhauspotenzial von 298 mit einer Verweildauer in der Atmosphäre von 110 bis 150 Jahren. Troposphärisches Ozon (O3) besitzt ein THP von 2000 und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) weisen ein THP von 14000 bis 17000 auf.
Die Keeling-Kurve, bei der die am Mauna Loa auf Hawaii gemessenen CO2-Werte aufgetragen werden, verdeutlicht den CO2-Anstieg, der einhergeht mit Erkenntnissen aus Eisbohrkernen aus der Antarktis. Da durch Verbrennung viel fossiles CO2 in die Atmosphäre gelangt, erhöht sich die CO2-Konzentration ständig. So wurden am 1.3.2024 430 ppm CO2 am Schauinsland bei Freiburg gemessen, was den bislang höchsten in Deutschland gemessenen Wert darstellt – gegenüber 280 ppm in vorindustrieller Zeit. Der Temperaturanstieg verläuft infolgedessen seit 1950 mit einer extremen Geschwindigkeit. China ist zwar in absoluten Zahlen der größte Emittent, hat allerdings auch eine sehr große Bevölkerung, was den Ausstoß pro Einwohner gegenüber den USA, die an zweiter Stelle stehen, relativiert. Deshalb stehen bei den Pro-Kopf-Emissionen (2022) die USA ganz vorne auf der Liste, vor Russland, Japan, China und der EU27.
Das Treibhausgas Methan entsteht bei der Verbrennung, wird aber auch in der Landwirtschaft und in der Abfallwirtschaft freigesetzt. Durch natürliche Quellen werden ca. 310 t Mio. t Methan pro Jahr freigesetzt, aufgrund von anthropogenen Quellen beträgt die Summe heute aber ca. 460 Mio. t pro Jahr – eine deutliche Zunahme.
Herr Rosner warf fortan einen Blick auf Klimaschwankungen in der älteren und jüngeren Erdgeschichte: Innerhalb der letzten 400000 Jahre kamen die pleistozänen Kaltzeit-Komplexe vor. Der CO2-Gehalt betrug zu dieser Zeit 200 bis 300 ppm, heute liegt dieser Wert bei 420 ppm. Und dabei gab es Schwankungen, sodass man in der Jüngeren Dryas (10790 bis 9700 vor Chr.) mit einer globalen Durchschnittstemperaturabnahme um 3 bis 4 K von einem Klimapessimum und im Atlantikum (7300 bis 3500 vor Chr.) mit Temperaturen von +1 bis 2 K von einem Klimaoptimum spricht. Im Jahr 2024 (Werte von Januar bis September) kam es zu einem globalen Temperaturanstieg von +1,52 K. In Deutschland ist mit +1,8 K ein linearer Trend zu verzeichnen, der schneller ansteigt als der globale Durchschnitt. In Tübingen betrug die Jahresdurchschnittstemperatur im Mittel der Jahre 1891 bis 1990 8,3 °C und der Niederschlag 759 mm. In der Messperiode von 2010 bis 2023 beträgt die Jahresdurchschnittstemperatur bereits 10,9 °C und der Niederschlag liegt bei 563 mm, was bedeutet, dass es trockener und wärmer wird. Im Vergleich der beiden Messperioden liegt der Temperaturanstieg allerdings schon bei mehr als dem auf der Pariser Klimakonferenz vereinbarten 1,5 °C-Ziel!
Weltweit lebt seit 2005 mehr als die Hälfte der Menschen in Städten. Durch den städtischen Wärmeinseleffekt durch aufgeheizte Gebäude infolge von Absorption sind die Städte aber auch nachts wärmer als deren Umland. Dabei beträgt die Wärmeinselintensität in der Stadt nachts ca. 4 K, während die Unterschiede zwischen Stadt und Umland am Tag nur bei 0,5 K liegen. Parkanlagen oder Friedhöfe stellen kühlere Inseln innerhalb der Städte dar. Dabei könnte man die Oberflächen in der Stadt kühlen, indem begrünte Dachflächen Energie in Verdunstung bringen können und so durch Verdunstungskälte Kühlungseffekte erzeugen. Weiße Oberflächen garantieren aufgrund einer höheren Albedo eine höhere Rückstrahlung.
Hitzestress innerhalb der Stadt bildet einen weiteren Aspekt. Perioden von heißen (Tmax > 30 °C) oder extrem heißen Tagen (Tmax > 35 °C) in Verbindung mit Tropennächten (Tmin > 20 °C) können gesundheitliche Gefahren auslösen und verursachen immer wieder zusätzliche Sterbefälle. So sind in Europa allein im heißen August 2003 70000 Menschen mehr als üblich gestorben. Ältere Menschen haben dabei ein fast 6-fach höheres Risiko, an Hitze zu sterben als die jüngeren. Insgesamt hat die Zahl der Sommertage in Baden-Württemberg im Jahr 2023 im Vergleich zur Referenzperiode 1961-1990 um 227 % zugenommen.
Doch es gibt Strategien zur Abschwächung, Milderung und Anpassung an die steigenden Temperaturen. So existiert nicht nur die bereits erwähnte Dach- oder Fassadenbegrünung als Möglichkeit, sondern auch die Entsiegelung oder das Pflanzen von Bäumen. Einen alten Baum zu erhalten hat so viel Effekt wie 2000 Jungbäume! Eine Nutzungsmischung in der Stadt kann kurze Wege verursachen und das Fahrrad-Fahren befördern. Verschattung (z.B. in Form von Arkaden) oder Wasserverfügbarkeit in den Städten kann ebenfalls helfen, wobei man beachten muss, dass es sich beim zur Verfügung gestellten Wasser um Trinkwasser, eine wertvolle Ressource, handelt. Förderlich wäre zudem eine Pflicht für Solarthermie und Photovoltaik. Frischluftschneisen müssen unbedingt von Bebauung freigehalten werden, infolge des demographischen Wandels in den Industrieländern, insbesondere in Deutschland, wird eine Neubebauung von Flächen absehbar ohnehin nicht mehr erforderlich sein. Weitere Strategien sind das Hitzerisiko zu analysieren, Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen oder Wärmepumpe zu installieren. Außerdem wichtig ist das Wissen über den Klimawandel und die Mitigation, also Maßnahmen, die zur Milderung der Auswirkungen beitragen können. Was man isst, welche Kleidung man trägt, wo man sein Geld investiert sowie die Themen „teilen statt besitzen“ (z.B. Carsharing) und „reparieren statt neu kaufen“ (z.B. Repair-Café) stellen weitere Maßnahmen dar, die jeder Einzelne durch seinen Lebenswandel beeinflussen kann.
Weil der Klimawandel da ist und sich in Richtung eines Worst-case-Szenarios entwickelt, beendete Herr Rosner seinen Vortrag mit dem Appell „Mischt euch ein!“ und forderte dazu auf, „einfach [zu] machen“. „Je länger wir zögern, desto stärker müssen wir bremsen!“